Hitch: „Die Vögel“ flogen im Kreuz
Ein wahres Hörerlebnis bot die Veranstaltung „HITCH und ICH“ am 18. November im Kulturzentrum Kreuz. Profi-Sprecher Jens Wawrczec trug die Kurzgeschichte „Die Vögel“, die Grundlage für den gleichnamigen Hitchock-Film, imposant vor, begleitet von spektakulären Klangeffekten auf einem außergewöhnlichen Instrument.
Beim Namen Jens Wawrczec haben vielleicht nicht alle gleich ein Bild vor Augen – seine Stimme aber dürften fast alle kennen: als Peter Shaw in der legendären Hörspiel-Reihe „Die drei ???“, als Synchronsprecher in Filmen und Serien, als Sprecher von Hörbüchern und in gefühlt jedem zweiten Radio-Hörspiel. Es ist sicher nicht übertrieben, ihn als einen der profiliertesten Sprecher und Vortragenden im deutschsprachigen Raum zu bezeichnen.
Jens Wawrczeck ist außerdem großer Alfred-Hitchcock-Fan. In seiner Lesereihe „HITCH und ICH“ hat er sich vorgenommen, einmal die Bücher und Geschichten, die Vorlagen der Filme von Hitchcock waren, in den Vordergrund zu stellen. Hitchcocks Filme sind Meisterwerke und jedem Cineasten ein Begriff, manche der Vorlagen aber nicht ganz so bekannt.
„Die Vögel“ basiert auf einer Kurzgeschichte der Autorin Daphne du Maurier. Es ist bei weitem nicht der einzige Stoff von ihr, der verfilmt wurde: auch Hitchcocks „Rebecca“ und „Jamaica Inn“ oder „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ basieren auf Werken von ihr. „Die Vögel“ hat mit dem Film von Hitchcock allerdings eigentlich nur das übergeordnete Motiv und grobe Handlungsabläufe gemeinsam. Personen, Orte und Dramaturgie sind deutlich unterschiedlich.
So handelt die Kurzgeschichte an der Küste Englands und im Zentrum steht der Farmarbeiter Nat Hocken. Dieser bemerkt ein seltsames Phänomen: Eine große Zahl Vögel verhält sich äußerst eigenartig. In der Nacht sammeln sich die Vögel über seinem Haus und attackieren ihn. Als er am nächsten Tag davon berichtet, nimmt ihn niemand ernst. Doch dann wird im Radio vermeldet, dass sich riesige Vogelschwärme über ganz England formieren. Der Notstand wird ausgerufen. Dass die Kurzgeschichte – wie auch der Film von Hitchcock – keine Erklärung für das Verhalten der Vögel bietet und recht abrupt endet, mag für manche ein Manko sein, tut der Spannung aber keinen Abbruch.
Jens Wawrczeck trugt die Geschichte meisterlich vor. Mit wechselnden Stimmen und Stimmlagen, Variationen in Dynamik, mit dem absolut richtigen Gefühl für Timing und Spannung. Eher ein Live-Hörbuch als eine Lesung.
Begleitet wurde er von dem Musiker und Komponisten Jan Peter Pflug auf einem ungewöhnlichen Instrument: dem Theremin. Dessen bekanntester Einsatz dürfte das Intro der Star Trek Originalserie (Raumschiff Enterprise) sein. Dieses wird ohne Berührung gespielt, entscheidend ist das Bewegen der Hände. Jan Peter Pflug entlockt dem Instrument die Unterschiedlichsten Geräusche, von spannender musikalischer Untermalung bis zu regelrechten Soundeffekten wie dem Krähen oder auch das Flattern der Vögel oder Flugbewegungen.
Zu Beginn wurde auf einer Leinwand ein Ausschnitt aus dem Hitchcock-Film gezeigt mit Soundeffekten aus dem Theremin und Erklärungen von Jens Wawrczeck zur Entstehung des Films. Am Ende sang Jens Wawrczeck, begleitet von Jan Peter Pflug auf dem Akkordeon, noch „Chim Chim Cher-ee“ aus dem Film “Mary Poppins“, der im Jahr 1965 den Oscar als bester Song gewonnen hatte.
Das Publikum zeigte sich hoch zufrieden mit der etwas anderen Lesung. Im Anschluss gab Jens Wawrczeck noch Autogramme. Hier zeigte sich, dass viele der Zuschauer*innen große „Die drei ???“-Fans waren. Seit über 40 Jahren spricht Wawrczeck dort eine der drei Hauptrollen. Und so hatten nicht wenige CDs und Kassetten dabei, die sie sich signieren ließen. Im Rahmen der Hitch-Reihe hat Wawrczeck außerdem auch andere Geschichten zu Hitchcock-Filmen als Hörbücher gelesen.
Die Lesung war eigentlich für den 3. April 2020 im Rahmen der tatort fulda Reihe geplant. Bereits nach ein paar tatort Fulda Terminen kam Corona dazwischen, erinnert sich Michael „Shaggy“ Schwarz vom Kulturzentrum Kreuz. Auch der Ausweichtermin am 25. September 2020 konnte nicht stattfinden. Die gekauften Karten behielten natürlich ihre Gültigkeit. Etwa die Hälfte der Besucher der Veranstaltung hatten laut Shaggy Schwarz noch Karten aus dem letzten Jahr. Allerdings kamen auch einige Ticketbesitzer nicht zur Veranstaltung.
Text & Fotos: Markus Weber